Zwei Flyouts in einem Jahr.

Dem geneigten deutschen Flugzeug- / Luftwaffen- und Airshowfan wurde einiges zugemutet in 2005. Nachdem wir schon im Juni die Geschwaderflagge des MFG 2 zu Grabe tragen mussten, wurden kurz vor Jahresende auch in Rheine beim Fluglehrzentrum F-4 F die Schotten dicht gemacht.

Am 15. Dezember ging mit einem abendlichen Feuerwerk und dem obligatorischen "Time to say Good-Bye" die Ära der Basis Rheine-Hopsten dem Ende entgegen. 44 Jahre lang hat das ehemalige Geschwader der Gegend den Stempel aufgedrückt, und auch hier wie bei zahlreichen Standortschließungen zuvor hat die Trauer und Enttäuschung über die Entscheidung aus Berlin weitaus stärker gewogen als die Freude der paar Fluglärmgegner.
Sei's drum, jetzt haben sie ja ihre Ruhe. Was zählen da schon die paar Hundert Arbeitsplätze, die indirekt von der Schließung betroffen sind?



Die Basis war einst Heimat des "Westfalengeschwaders", des Jagdbombergeschwaders 36, das später zum Jagdgeschwader 72 wurde.
Bereits im zweiten Weltkrieg starteten hier Jets, die Me-262 und später auch die Arado 234.

16 Jahre nach Kriegsende kam die Luftwaffe zurück nach Rheine, 1961 wurden 50 Jagdbomber F-84 F Thunderstreak stationiert, dazu sechs Trainer T-44 A sowie zwei Verbindungsflugzeuge P-149. Der erste Tag der offenen Tür fand 1962 vor 150.000 Zuschauern statt, der Rückhalt war enorm.

Ab 1965 bis 1975 haben 52 Starfighter, trotz aller Abstürze eines der beliebtesten Waffensysteme bei den Piloten (das schönste sowieso) mit gut 100.000 Flugstunden rund 74 Millionen Flugkilometer zurückgelegt. Da allerdings die elektronische Ausrüstung schon früh an Veraltung litt, hat man sich in Bonn entschieden, sich bereits Ende der Sechziger um eine Ablösung des Starfighter zu kümmern und sich für die F-4 entschieden. Am Februar 1975 landete die erste Phantom in Rheine; aufgrund ihrer Vielseitigkeit wurde ihr auch erstmals die Sekundärrolle der Luftverteidigung zugewiesen.

Nach einem letzten Tag der offenen Tür mit zahlreichen Sonderbemalungen im September 2001 (da hatte unser Luftwaffenchef Stieglitz noch nicht das Sagen, da durfte auf einem Flugtag sogar noch geflogen werden…) war das Ende der "aktiven Dienstzeit" gekommen.

Am 18. Januar 2002 endete mit einer letzten QRA die Tätigkeit der ersten Staffel, der zweiten wurde die Aufgabe der Luftverteidigung entzogen, allerdings erhielt sie den Auftrag, bis 2006 die "Europäisierung" (Einweisung in die europäische Luftraumstruktur und Schlechtwetterfliegerei von Besatzungen, die in den USA gelernt hatten) vorzunehmen. Das ehemalige Geschwader wurde herabgestuft zum Fluglehrzentrum.

Nachdem mit dem Phlyout und dem Abflug der letzten Maschinen im Dezember 2005 der Flugbetrieb eingestellt wurde (von einigen simulierten Anflügen sowie Landungen der benachbarten Hubschrauber aus Bentlage abgesehen), wird am 30. Juni 2006 der Platz endgültig geschlossen.

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Die Feierlichkeiten am 15.12.2005 begannen bereits am frühen Vormittag unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der Halle 10, als beim Appell der Kommodore Oberstleutnant Christoph Kling (links) sowie Generalmajor Kreuzer-Janik, Chef der 3. Luftwaffendivision, die passenden Worte fanden und das Fluglehrzentrum offiziell von seinem Auftrag entbunden haben.


Nach dem rund einstündigen Appell, dem auch verschiedene hohe Militärs sowie Gastpiloten aus anderen Geschwadern beiwohnten, und dem Abspielen der Nationalhymne sowie verschiedener Märsche vom Luftwaffenmusikkorps 3 entstand eine dreistündige Pause, die ich zum Ablichten der letzten Hopstener Phantoms nutzen konnte.
Unnötig zu erwähnen, dass das Wetter eine Katastrophe war oder anders ausgedrückt, dass Petrus sich mit den trauernden Abschiednehmern solidarisch erklärt und sich mit Dauerregen und einem Herbststurm an der düsteren Stimmung beteiligt hat. Ehrlich gesagt hat diese Atmosphäre sogar besser gewirkt als blauer Himmel…


Um 14:00 Uhr wurde der Platz geöffnet für die rund 2.000 geladenen Gäste. Die Öffentlichkeit musste leider draußen bleiben, aber angesichts der beschränkten Möglichkeiten war das wohl eine weise Entscheidung.

..Viele Ehemalige haben sich an einem der Bier- oder Souvenierstände gefreut, alte Kameraden wieder zu treffen und den ganzen Nachmittag gefachsimpelt. Vor allem Patches und Fotos sind weggegangen wie warme Semmeln, das offizielle Jubiläumspatch ist gar nicht erst in den Verkauf gekommen und sofort unter der Hand weggegangen. Schade drum, der Hersteller hätte ein Riesengeschäft machen können.

Falls jemand eines überhaben sollte, würde ich mich sehr freuen, wenn er es mir zum Verkauf anbieten würde… :-)

Letzte stimmungsvolle Souvenierfotos


Die Jubiläumsmaschine war dem Umstand entsprechend schwarz bemalt mit einem silbergrauen fliegenden Pferd auf den Seiten. In der Werft in Jever wurden 35 kg schwarzer Lack aufgesprüht, die Pferde haben die beiden Airbrusher Alfons Ross und Stefan Thrun aufgemalt. Auf der Unterseite ein zerspringendes Westfalenwappen. (Prima Idee! Leider ist die Bemalung aber kaum zur Geltung gekommen, da das Tageslicht beim Start und anschließenden Überflug schon die Kräfte verlassen hatte).

Gegen 15:00 Uhr wurden die Besatzungen zu den Maschinen gefahren, es folgte ein letztes Engine Runup und Preflights Checks. Augenblicke und Geräusche, die die Anwesenden regelrecht aufgesogen haben.


Nach einer halben Stunde taxten die sechs Phantoms an dem jubelnden Zuschauerspalier vorbei zur Runwa
y. Der Start erfolgte unspektakulär und zügig. Danach wurden auch die letzten Optimisten, die sich noch Hoffnung auf ein letztes kleines Display gemacht hatten, vom Gegenteil überzeugt. Lediglich zwei Überflüge einer Zweier- und einer Viererformation (wir wollen doch nicht vergessen, dass General Stieglitz auch vor Ort war und daher das Verbot, mehr als vier Maschinen in einem Verband fliegen zu lassen, strengstens befolgt wurde…), und dann verabschiedeten sich die letzten Rhinos zu einem Überraschungsbesuch Richtung Wittmund (wo abseits der Pommesträger sicher bei diversen tiefen Überflügen die Post abgegangen ist).

Erwartungsvolle Menge auf 100 m...

Einziges Showelement ein Regenbogen

Ein letzter Überflug



Während der 45-minütigen Wartezeit geschah nicht viel auf dem Platz, man hielt sich halt bei winterlichen Temperaturen am Glas fest. Als sie um 16:15 im Halbdunklen schließlich wieder in Rheine ankamen, kreisten sie zunächst in einigen Tausend Metern Höhe und haben Sprit verbraucht, danach erfolgte die Landung ohne einen weiteren Überflug. Lediglich die 37 + 11 hat sich zu einem Durchstarten hinreißen lassen. Leider gab es dabei noch nicht einmal einen Nachbrenner zu sehen.


Das waren die letzten Jetlandungen auf der Rheine Airbase. Sie sind ein letztes Mal über den Taxiway gerollt und haben sich schließlich fast schon im Dunklen vor der Instandsetzungshalle aufgereiht. Das Publikum wusste, dass damit die Ära endgültig zu Ende war.
Der Befehlshaber des Luftwaffenführungskommandos Generalleutnant Walter Jertz hat noch ein paar warme Worte zu denen gesprochen, die bis zuletzt in der Kälte ausgeharrt haben.
Die anschließenden Sätze gehörten dem Kommodore, der aber nur noch übergeleitet hat zum finalen Feuerwerk. Ein ergreifender Anblick, als hinter den sechs Phantoms Raketen in den vollmondbeschienenen Himmel stiegen zur Musik von "Time to say Good-Bye".


Beendet wurde der Abend schließlich im großen Festzelt auf dem Gelände der Basis.

Nach dem Phlyout begannen die Demontagearbeiten unter anderem des Flugsimulators und des erst vor wenigen Jahren gebauten Towers. Der Fahrzeugpark ging an den BW-Fuhrparkservice, der größte Teil der Phantoms wurde bereits in den vergangenen Jahren wegen Erreichen der Zellenlebenszeit demontiert, die restlichen sieben Maschinen wurden nach Wittmund zum JG 71 überführt.

Auch die sonderbemalte 37 + 11 ging nach Wittmund, wo sie als Gateguard eine neue Bleibe finden soll. Letzten Meldungen zufolge soll allerdings die Sonderbemalung wieder entfernt und durch den Standardanstrich ersetzt werden. Wieder einmal fragt man sich nach dem Sinn einer solchen Entscheidung; wahrscheinlich steht alles in der Rubrik "Wie kann ich Tradition und Wirkung nach außen am besten ruinieren?".

Der Sockelflieger der General Wever Kaserne, eine F-104 soll wohl bei den Kameraden in Bentlage eine neue Bleibe finden. Die Stadt Hörstel hatte sich ebenfalls beworben für eine ausgemusterte Phantom. Allerdings gab es dafür keine Genehmigung, weil die Verantwortlichen Angst hatten, dass eine öffentliche Ausstellung von Flugzeugen aus BW-Beständen der Gefahr von Missbrauch oder Verunstaltung ausgesetzt sei. Da haben sie wahrscheinlich gar nicht so unrecht mit der Befürchtung. In diesem unseren Land ist nichts heilig und geschützt vor den Graffity-Idioten.

Eine weitere Überlegung war, das Heeresfliegerregiment 15 aus Bentlage nach Hopsten zu verlegen, da in Bentlage größere Renovierungen anstehen würden und Hopsten die Möglichkeit böte, auch Transportmaschinen landen zu lassen. Auch diese Idee wurde abgeschmettert, da Umbauten auch in Hopsten notwendig gewesen und vor allem die Unterkünfte zu weit vom Fliegerhorst entfernt wären.

So bleibt wohl alles bei den alten Plänen. Das Gelände wird umfunktioniert, und irgendwann werden wir ein Gewerbegebiet, eine Gärtnerei oder etwas ähnliches auf dem ehemaligen Flugplatz finden.

Vorwärts Kameraden, es geht zurück.

Ich hoffe, der Bericht hat Ihnen trotz des traurigen Hintergrundes gefallen. Einen Film dazu gibt es (demnächst) bei der VPH-Bochum.
Sollten Sie einige Fotos vermisst haben (z.B. das Feuerwerk), so liegt das daran, dass hauptsächlich gefilmt wurde.

Auch von diesem Tag gibt es (zusammen mit der letzten Airshow in Rheine 2001) eine DVD bei www.vph-airshowvideos.de.

Bis zum nächsten, hoffentlich positiveren Anlass aus der Welt der Fliegerei!

Ihr und euer
Kai Haarmann


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