Am 8. September 2001 fand der "Tag der offenen Tür mit Flugbetrieb",
wie es offiziell hieß, in Rheine-Hopsten beim Jagdgeschwader 72 statt.
Erstmals in Rheine wurde am Freitag davor auch eine Spotterveranstaltung geboten. Der
Wettergott hat den zahlreich angereisten Fans mit tiefhängenden Wolken und Schauern
aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wer diese Veranstaltung nicht wahrgenommen
hat, konnte am Showtag die wichtigsten der gezeigten Maschinen, die bunten Kühe
der Bundesluftwaffe, trotzdem hautnah und vor allem bei besserem Wetter erleben.
Die Basis:
die 60.000 Zuschauer hatten alle eine oder mehrere Tränen im Knopfloch, weil diese
Airshow die Abschiedsvorstellung des JG72 war. Zum ersten Februar 2002 wird die Einheit
aufgelöst und Rheine in ein Fluglehrzentrum umgewandelt. Eine der beiden Phantom-Staffeln
wird abgezogen, die zweite bleibt unter der Führung von Oberstleutnant Fürnrohr
am Platz und dient der Ausbildung auf der F4-F.
Diese Entscheidung war zumindest zum Zeitpunkt der Airshow aktuell. Wochen später
ist die Diskussion neu entflammt, als die Entscheidung Scharpings in Frage gestellt
wurde. Er hatte sich für Nörvenich, das übrigens 2007 mit dem Eurofighter
ausgerüstet werden soll, und gegen Rheine ausgesprochen, obwohl das Fluglärmproblem,
auch von zivilen Maschinen, eher gegen die Erhaltung Nörvenichs spricht. Im dünn
besiedelten Münsterland existiert das Problem nicht, außerdem liegt es um
einiges näher an der Nordsee (nur 9 Flugminuten), wo sich die meisten Überschallflüge
und Luftkampfübungen abspielen. Außerdem ist Rheine in den letzten Jahren
für über 30 Millionen Mark modernisiert worden; der Tower, die Anflugbefeuerung
und die Verkabelungen sind komplett neu. All diese Dinge müßten auch in
Nörvenich vorgenommen werden. Dazu kommt, daß die Phantom noch bis 2012
fliegen soll, das geplante Pilotenausbildungszentrum aber 2006 geschlossen werden soll,
was wieder sehr hohe Umzugskosten nach sich ziehen würde. Der letzte und ebenfalls
sehr wichtige Grund ist die Absicht der USA, auf Nörvenich als Nuklearwaffen-Lagerstätte
zu verzichten. Dadurch wird Nörvenich nochmals in seiner Bedeutung herabgestuft.
Aber trotz dieser Argumente wurde die Entscheidung des Verteidigungsministerium nicht
zugunsten Rheine revidiert.
Seinen Ursprung hatte der Platz 1938 als Jägerflugplatz für die Reichsverteidigung.
1944 waren neben dem Jagdgeschwader 27 mit ihren ME-109 auch das Kampfgeschwader Edelweiß
mit der ME-262 stationiert. Der Flugplatz wurde immer wieder von den Alliierten angegriffen,
aber wegen der extrem starken Luftverteidigung, es waren knapp 500 Rohre der Flak eingesetzt,
blieb der Platz bis Kriegsende einsatzbereit. Danach wurde er allerdings von den Engländern
gesprengt. Sein neues Leben begann 1959 mit dem Wiederaufbau der Basis und Unterkünfte.
Zwei Jahre später war er einsatzbereit, und am 12. Dezember 1961 wurde ein Verband
mit der Bezeichnung Jagdbombergeschwader 36 in Dienst gestellt. Seitdem wurden rund
350.000 Flugstunden mit verschiedenen Flugzeugtypen erflogen. Nach knapp 4 Jahren auf
der F-84F Thunderstreak begann 1965 die Starfighter-Ära. Mit der legendären
104 feierte man 1971 die 50.000 Flugstunde, und 1974 landete dann die erste Phantom.
Lange Zeit hatte sie eine Doppelaufgabe als Jäger und Bomber, bis 1991 nach der
Wiedervereinigung die Luftwaffe umstrukturiert und die Phantom nur noch zur Luftverteidigung
eingesetzt wurde. Demzufolge kam die Umbenennung des Geschwaders zum Jagdgeschwader
72, der Name "Westfalen" blieb erhalten.
Eigentlich sollte das JG72 als erste Einheit mit dem Eurofighter ausgerüstet werden,
aber im Zuge der sogenannten Friedensdividende hat man sich umentschieden und schickt
das Westfalengeschwader und seine Phantoms in den Ruhestand.
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... aus Lechfeld |
... aus Nörvenich |
... aus Jagel |
Die Show:
Besichtigt werden konnten an diesem Wochenende 40 Maschinen am Boden und in der Luft,
und besonders erfreut war man vor allem über die ausländischen Teilnehmer
aus Frankreich, Belgien, Dänemark, Italien, der Türkei und als Premiere auch
aus der Schweiz.
Die Bundesluftwaffe hat im Jahr 2001 gleich drei große Events veranstaltet, wovon
Rheine nach Neuburg und Laage der letzte war. Das hatte mehrere Vorteile: zum einen
waren sämtliche Sonderbemalungen der Luftwaffe auf einem Platz versammelt, also
auch die aus Neuburg, Laage, Jagel, Lechfeld und Nörvenich. Zum anderen konnten
sich die Zuschauer über tolles Wetter freuen. Für Samstag wurde ein wahres
Katastrophenwetter mit Dauerregen und Sturmböen angesagt; diejenigen, die sich
trotzdem auf den Weg gemacht hatten, haben während des Tages genau drei Schauer
und ansonsten viel blauen Himmel gesehen. Der Regen begann pünktlich zum Ende
des Flugtages. Der Kommodore Hans-Henning Pradel hat sich auch entsprechend erleichtert
gezeigt, daß die Piloten für ihre Nummern immer ein blaues Loch im Himmel
gefunden haben.
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Und noch mehr aus Neuburg
(Mölders) |
... natürlich Rheine |
... und Laage (Steinhoff) |
Die Eyecatcher der Show waren die Prachtexemplare des JG 74 "Mölders"
aus Neuburg und des JG 73 "Steinhoff" aus Laage in den Jubiläumslackierungen,
jeweils von den eigenen Tagen der offenen Tür, und direkt vor der Crowdline natürlich
der Stolz des JG 72: eine F-4 F in schwarz-rot-goldener Lackierung. Die Idee ist freilich
nicht so ganz neu, aber trotzdem kann man die Maschine des Westfalengeschwaders eine
der schönsten nennen.
Den Anfang des Flugprogramms machten zwei Bell UH-1D. Die Helikopter dieses Typs sind
unter dem Synonym "fliegender Teppichklopfer" unterwegs und haben ihren Erstflug
vor 45 Jahren, also 1956 absolviert. Obwohl die Bell nicht zu den Riesen zählt,
können immerhin 12 voll ausgerüstete Soldaten transportiert werden. Deutschland
hatte damals ein Schnäppchen mit den Maschinen gemacht. Ein Teil wurde günstig
eingekauft, die meisten aber sind in Eigenregie unter Lizenz gebaut worden.
Für den Hersteller Bell waren die UH-1 ein Exportschlager, es sind zahlreiche
verschiedene militärische und zivile Muster gebaut worden. Den hohen Bekanntheitsgrad
verdankt sie sicher ihrer Feuertaufe im Vietnamkrieg.
Das Display einer Tornado wurde vom MFG2 gestellt. Die deutschen Tornados
gibt es in den Versionen IDS, also Interdiction Strike für die konventionelle
Bekämpfung von Bodenzielen, dann als ECR für elektronische Kampfführung
zur Unterdrückung der feindlichen Luftabwehr und schließlich als RECCE zur
taktischen Gefechtsfeldaufklärung mit speziellen Kameras.
In der Marine wird er zur Aufklärung und Bekämpfung von Küsten und Seezielen
verwendet. Beim MFG2 sind mehr als 50 Tornados stationiert, damit ist es der größte
Verband dieser Art in der Bundeswehr. Gegründet 1958 waren sie ursprünglich
in Nordholz beheimatet, sind aber 1965 nach Eggebek umgezogen, und da findet man sie
immer noch. Als 1993 das MFG1 aus Jagel aufgelöst wurde, hat man von dort ebenfalls
10 Maschinen übernommen und eine dritte Staffel gegründet. Beim MFG2 sind
rund 2000 Mann beschäftigt.
Über die F-16 technische Daten zu schreiben hieße Eulen
nach Athen tragen. Die Besonderheit der Maschine aus Rheine war das Herkunftsland.
Obwohl doch vor der Haustür zu finden, halten sich die Dänen sonst eher bedeckt
mit Teilnahmen an ausländischen Airshows, und da in Deutschland die Einladungen
an ausländische Jets für heimische Airshows immer noch sehr vorsichtig gehandhabt
werden, muß man dem umso mehr Bedeutung beimessen. Es handelt sich hierbei um
die MLU-Version, sie hat also bereits das Midlife Update hinter sich, was sich vor
allem durch ein dickes verbessertes Avionik Paket auszeichnet.
Eine CH-53 vom benachbarten Heeresfliegerregiment 15 in Bentlage zeigte ebenfalls eine
Demo. Die CH-53 ist ein schwerer Transporthubschrauber, der bereits 1965 in Dienst
gestellt wurde. In Deutschland allerdings kam er erst 1968 ins Spiel mit zwei von Sikorsky
gebauten Exemplaren. Weitere 20 wurden in Lizenz vom Konsortium VFW Fokker gebaut,
der Löwenanteil von 90 Stück wurde in Deutschland gefertigt. Als Rückgrat
der deutschen Transporthubschrauber ist er in der Lage, 50 voll ausgerüstete Soldaten
zu transportieren oder, in Gewicht ausgedrückt beträgt seine Zuladung 3,6
Tonnen innen oder 5,9 Tonnen incl. Außenlasten.
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F-16 MLU der RDAF |
Sikorsky CH-53 G |
Leider sind ja in Deutschland seit vielen Jahren keine größeren
Formationen von Militärjets auf Airshows erlaubt. Man muß 15 Jahre zurückdenken,
um sich z. B. an den Tag der offenen Tür in Rheine 1986 zu erinnern. Damals stiegen
hier noch 16 Phantom im Alarmstart in den Himmel und kehrten kurze Zeit später
in einer großen Diamantformation wieder, gefolgt vom Display der Vikings mit
ihren blau-weiß-roten Starfightern. Das ist leider alles Geschichte, und als
sich hier die Piloten zur letzten Viererformation in der letzten Airshow des Flugplatz
Rheine Hopsten fertigmachten, kam ein Hauch von Wehmut auf.
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Erinnerung an die Airshow
1986 |
Jubiläumsmaschine
des JG 72 aus 1986 |
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F-4 F beim Training am
Vortag |
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Die Phantom hatte 1958 ihren Erstflug, wurde 1961 in Dienst gestellt
und in 20 Varianten 5.195 mal gebaut. Diese hier gehören zu den 175 Maschinen,
die zwischen 1973 und 1976 für die Luftwaffe bestellt und gebaut wurden. 110 Exemplare
davon sind mit neuen Radars und Radarraketen ausgerüstet worden, und die Luftwaffe
beabsichtigt, bis zum Jahr 2012 die Phantom im Einsatz zu halten, allerdings, wie vorhin
schon erwähnt, nur als Jäger. Die Jagdbomberaufgaben werden alle von den
Tornados übernommen.
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Letzte Westfalen-Formation
am ToT |
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Eine Premiere auf deutschen Airshows war der Auftritt der Schweizer
F-18. Die Maschine ist 20 Jahre jünger als die Phantom und bietet dem Piloten
natürlich ganz andere Möglichkeiten. Sie wird mittels Fly-by-wire, also mit
voller Computerunterstützung geflogen und läßt in punkto Wendigkeit
und Langsamflugeigenschaften, aber auch Robustheit, weil sie auch für den Trägereinsatz
konzipiert worden ist, kaum Wünsche offen.
Die Höchstgeschwindigkeit liegt mit Mach 1.8 etwas unter der der Phantom, aber
im modernen Luftkrieg entscheidet hauptsächlich Elektronik und entsprechende Lenkwaffen
über Sieg oder Niederlage. Deshalb sind die Phantoms trotz ihres hohen Alters
immer noch nahezu ebenbürtig, da sie eine elektronische Frischzellenkur hinter
sich haben.
Die Hornet heißt F/A-18, weil dadurch die Doppelrolle ausgedrückt werden
soll. Das F steht für Fighter als Abfangjäger, das A bedeutet Attack im Sinne
von Jagdbomber. Die zweisitzigen Varianten sind Trainer und hießen während
der Entwicklungsphase TF-18A, nach Anlauf der Serienfertigung bekamen die Doppelsitzer
die Bezeichnung F/A-18 B, die späteren Serien F/A-18 D.
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F/A-18 der Swiss Air
Force |
Mirage 2000 |
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Als letzter internationaler Teilnehmer wurde die Mirage 2000 demonstriert.
Sie hatte wie die F-18 ihren Erstflug 1978 und wurde fünf Jahre später in
Dienst gestellt. Die 2000 knüpft an die Auslegung des Deltaflüglers Mirage
3 und erhielt zur besseren Manövrierbarkeit eine elektronisch geregelte Flugsteuerungsanlage,
also nichts anderes als Fly-by-wire. Das führte wie bei der F-16 zu einer geringeren
Grundstabilität. Den bekannten Schwächen der Deltatragflächen begegnete
man mit einer größeren Flügelfläche, um die Flächenbelastung
zu verringern. Die automatischen Nasenklappen tragen zu hervorragenden Langsamflugeigenschaften
bei. Ansonsten entspricht das Konzept weitgehend dem der Mirage 3. Die Hauptaufgabe
ist Allwetter-Abfangjäger, aber sie wird auch als Jagdbomber eingesetzt.
Die einzige dem Publikum nicht frei zugängliche Sonderlackierung der Luftwaffe
war die MiG-29. Sie kam erst kurz vor ihrem Auftritt über den Taxiway.
Bei der Auflösung der NVA sind damals 20 Ein- und 4 Doppelsitzer der MiG-29 von
der Bundesluftwaffe übernommen und von der Ausrüstung her weitgehend dem
westlichen Standard angepaßt worden. Die Doppelsitzer werden als Trainer verwendet.
Sie hatte ihren Erstflug ein Jahr vor dem der Mirage und der F-18, nämlich 1977.
Die deutschen MiG gehören noch zu den ersten Mustern, die mit sehr hohem Treibstoffverbrauch
und entsprechend geringerer Reichweite zu kämpfen haben; die neuesten Versionen
haben da schon bessere Werte vorzuzeigen.
Der Westen ist das erste Mal 1986 mit der Fulcrum in Berührung gekommen, als eine
sowjetische Staffel zu einem Austauschbesuch nach Finnland kam. Bei der Messe in Farnborough
1988 war die MiG der Star der Show; da wurden endgültig die Karten auf den Tisch
gelegt. Speziell über die deutschen MiG's war die NATO sehr glücklich, weil
so bei Luftkampfübungen die Gegenseite endlich realistisch dargestellt werden
konnte. So sollte das Schicksal der MiG's nach deren Ausmusterung bei der Bundesluftwaffe
in den USA als Aggressoren liegen. Mittlerweile ist bekannt, daß sie der polnischen
Luftwaffe übergeben werden sollen.
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MiG-29 |
JG 73 "Steinhoff" |
1. Staffel |
Das absolute Highlight, bei dem vielen Fans warm ums Herz wurde, war
der gemeinsame Start der drei Phantoms und der MiG aus Rheine, Neuburg und Laage sowie
der gemeinsame Formationsüberflug. Abgerundet wurde der Tag durch anschließende
Solodisplays der beiden schwarz-rot-goldenen Jubilare.
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Einmalige Jubiläumsformation |
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Letzter Flug der bunten |
Kuh des JG 72 "Westfalen" |
Bye, bye |
Der Wettergott hat vieles wieder gutgemacht. Den Fotografen wurde stahlblauer
Himmel mit weißen Gewittertürmen beschert; die Schauer zwischendurch waren
nicht annähernd so schlimm wie vorhergesagt.
Die Abschiedsstimmung war am Platz allgemein spürbar. Wir sind aber bemüht,
Ihnen in lockerer Folge von weiteren Events der Bundeswehr zu berichten.
Ihr und Euer
Kai Haarmann
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