Der Berg ruft!

Wieder einmal hat die Kultveranstaltung für Insider knapp viertausend Airshowbegeisterte ins wunderschöne Berner Oberland gelockt. Das kleine Dörfchen Axalp wurde zu einem der größten Parkplätze im Musterländli, als sich am Morgen des 2. und 3. Oktober 2002 die Blechschlange auf die wenigen horizontalen Wiesen und Weiden ergossen.

Die ganz Harten haben sich schon vor sechs Uhr im Dunklen und mit Taschenlampe bewaffnet auf den rund zweistündigen Fußmarsch gemacht. Sie wurden aber nicht nur mit einem phantastischen Morgengrauen in der Bergwelt belohnt (es spricht der Städter), sondern sie kamen auch vor der Wegsperrung auf dem KP an der auf 2.300 Metern gelegenen Ebenfluh an und konnten so dem Training beiwohnen. (Aus Sicherheitsgründen wird der Zugangsweg während der Flugbewegungen gesperrt).

Immer wieder ein Erlebnis für sich: der Aufstieg

Die letzten Meter bis zum KP

History:

Bevor ich Ihnen die fantastische Show näher bringe, noch einige Bemerkungen zur Geschichte des Schießplatz Axalp:
Die Ziele auf der Ebenfluh blicken bereits auf eine 61-jährige Historie zurück. Die Leistungen der Schweizer Bordschützen ließen damals viel zu wünschen übrig, so dass General Guisan 1942 die Einrichtung verschiedener Übungsschießplätze anordnete. Die wegen des 2. Weltkriegs stark aufgerüstete Luftwaffe hatte großen Trainingsbedarf, ab Oktober 1942 konnte bereits der Betrieb aufgenommen werden. Allerdings wurde mit Rücksicht auf die Wanderer nur in der Zeit von Anfang Oktober bis Ende Mai scharf geschossen (in den letzten Jahren haben sich allerdings die Übungstage auf ca. 30 pro Jahr reduziert).
Mit Anbruch des Jetzeitalters konnte man Vampire, Venom, Hunter, später auch die Mirage III beim Einsatz von Bordkanonen und dem Abwurf von Bomben und Abschuß von ungelenkten Raketen beobachten. Mit Ausmusterung des Hunter 1994 wurde aber die Ausbildung von Erdkampfaufgaben nicht fortgeführt, es wurden ab da lediglich die Bordkanonen benutzt.
Abschließend sei noch bemerkt, dass die Schießaktionen natürlich für eine Menge Müll verantwortlich sind, so dass der BAMF-Betrieb Meiringen alljährlich nach Beendigung der Schießsaison rund 5 Tonnen Munitionsreste einsammelt.
Und das soll zum Hintergrund auch reichen, wir wenden uns wieder der Show zu.

Der Beobachter trifft am KP ein

Der Autor höchstselbst

Die Show:
Immer wieder landeten Kurierhubschrauber vom Typ Alouette III und brachten Organisatoren, den Kommentator, den Zielbeobachter und weitere Offizielle. Irgendwann kämpften sich die ersten wärmenden Sonnenstrahlen über den Bergkamm, die Fotografen machten ihre Ausrüstung fertig und stellten sich in Position.

Der Photoüberflug der Mirage III RS musste zunächst ausfallen, weil über den "Midlands" noch dichter Nebel lag. Also Szenenwechsel zum Flugplatz Meiringen:
hier ist vom Geschwader 13 die Fliegerstaffel 8 beheimatet, ausgerüstet mit dem Northrop F-5E Tiger. Der Tiger wurde von 1978 bis 1984 eingeführt, um die Lücke im Raumschutz zu schließen, die durch den Wegfall der Venom und den Einsatzwechsel des Hunter zum Erdkampf hinterlassen hatte. In der Schweiz fliegen 83 einsitzige F-5 E und 12 F-5 F Doppelsitzer, die alle in Kalifornien vor- und in Emmen endmontiert wurden.

F-5 Tiger:

Flugplatz Meiringen

Fliegerstaffel 8 ...

... bereit zur Demo

Die Kanonen hämmern

Die Tiger rasen übers Publikum ...

... und jagen durchs Tal davon

Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 1.700 km/h, die Dienstgipfelhöhe 16 Kilometer. An Außenlasten trägt der Tiger bis zu 3,4 Tonnen: zunächst Außentanks und natürlich für den Luftkampf AIM-9 Sidewinder und Python III Raketen. Seltener wird er mit Luft-Bodenbewaffnung bestückt, der AGM-65 Maverick, Eisen- und Streubomben und Raketenbehälter.

Was die Fans auf dem Berg interessierte, waren aber die zwei 20mm Kanonen. Alle Maschinen, die sich am Fliegerschießen beteiligten, flogen zunächst den gesamten Parcours ab ohne zu schießen. Rund um den Beobachtungspunkt liegen drei Ziele, die nacheinander angeflogen und später beschossen wurden. Der erste Anflug geschah direkt über die Zuschauer, die Jäger verschwanden im Rückenflug hinter dem gegenüberliegenden Felsmassiv und nahmen sofort Maß auf die neuen Ziele. Als sich die Piloten eingeflogen hatten, wurden die Parcours wiederholt und dabei scharf geschossen. Der Anblick, der sich dabei den Zuschauern bot, war einfach atemberaubend und wird so auf keiner anderen Show gezeigt. Anschließend sammelten sich die acht Maschinen zum Défilée, dann ging es wieder abwärts nach Meiringen, wo sich schon zahlreiche Schaulustige eingefunden hatten.

Die Abschlussformation

Und zurück ...

... nach Meiringen

Der nächste Programmpunkt war das Training der Patrouille Suisse, die vom ca. 60 km entfernten Emmen gekommen sind. Alle Piloten sind im wahren Leben F/A-18 Piloten und machen den Job bei der PS nebenbei.

Der Kommander ist Daniel Hösli, er wurde in diesem Jahr 45 Jahre alt (die Zahlen und Alterangaben beziehen sich natürlich auf das Jahr 2002), seit 21 Jahren Berufspilot und war von 1987 bis 1997 selbst aktiver Pilot bei der PS. Seine über 4000 Flugstunden hat auf PC-3, PC-6 und PC-7, auf Vampire, Hunter, Tiger und Hornet gesammelt. Jetzt steht er mit dem Funkgerät am Beobachtungspunkt und checkt die Präzision seines Teams.

Training Patrouille Suisse:

Die Nr. 1 ist der 31-jährige Daniel Stämpfli, seit 10 Jahren Berufspilot und in Dübendorf bei der Staffel 11 tätig. Er ist seit 1997 bei der PS und hat 2.300 Flugstunden auf PC-7, Hawk, Tiger und F-18.
Thomas Peier als Nr. 2 ist seit ´99 dabei und verdient seine Brötchen bei der Staffel 18 in Payerne. Er hat 1600 Flugstunden auf den gleichen Typen wie Daniel.
Nicolas Mauron ist erst 27 und fliegt auch in Payerne. Er hat rund 1100 Flugstunden und 2002 ist seine erste Saison bei der PS.
Nr. 4 ist Nils Hämmerli. Er ist 33, fliegt bei der Staffel 11 in Dübendorf und ist seit ´99 im Team. Seine 2100 Flugstunden rühren von PC-6, PC-7, Hawk, Tiger und Hornet. Er hat das Display des zweiten Tages seinem Vater gewidmet, der dann seinen 60. Geburtstag gefeiert hat. Das schönste Geschenk für ihn waren wohl die (60 ?) Flares, die jede Maschine beim Abschlussbreak ausgestoßen hat.
Auch aus Dübendorf kommt Daniel Siegenthaler, 31 Jahre alt und seit ´97 bei der PS.
Last but not least haben wir als Nr. 6 noch Marcel Mühlethaler von der Fliegerstaffel 17 aus Payerne, 30 Jahre alt und seit ´98 im Team.
Die Patrouille Suisse feierten 2002 ihren 38. Geburtstag, außerdem hatten sie in diesem Jahr einige besondere Displays auf der Expo. Mit der Show in Axalp ist ihre Airshowsaison beendet worden.

Trainingsende und zurück nach ...

... Emmen über Brienz

Zwischendurch wurde der aus Sicherheitsgründen gesperrte Weg zum Beobachtungspunkt wieder freigegeben, die Zuschauer strömten, vor allem kamen nun die VIP's an. Dazu ist auf dem Flugplatz Interlaken ein Sammelpunkt eingerichtet worden, von wo aus ein Shuttleservice mit Super Pumas zur Axalp operierte.

Super Puma:

Promishuttle mit Super Pumas

Die Demonstration, die die Mittagspause beendete, hieß im Fachjargon "Bergung bei Betonwand, Umlad bei Seilbahnstation"; eine Rettungsaktion mit einer Aerospatiale SE.3160 Alouette III vom Überwachungsgeschwader, Ressort Lufttransport.

Im Anschluß kamen zwei Super Puma des gleichen Vereins zum Feuerlöscheinsatz. Die Schweiz besitzt seit 1989 15 dieser Super Puma. Sie können entweder 18 Passagiere oder 3 Tonnen Außenlasten transportieren. Nur leicht gepanzert und unbewaffnet werden sie nicht als Kampfzonenhubschrauber verwendet. Normalerweise liegen ihre Hauptaufgaben bei Transport-, Versorgungs- und Hilfsflügen. Kurz vor der Axalpshow wurden weitere 12 Maschinen zur Basis Alpnach ausgeliefert.

Alouette III beim Rettungseinsatz

Schnee löschender Super Puma

In Meiringen war mittlerweile eine Pilatus PC-6 Porter mit vier Fallschirmaufklärern zur Axalp gestartet. Die PC-6 ist das kleine Arbeitspferd der Luftwaffe, die Kurzstart- und -landeeigenschaften ermöglichen auch Einsätze von Behelfsflugplätzen aus. Die Verwendungszwecke sind Brandbekämpfung, Rettung, Aufklärung und Transport von bis zu sechs Passagieren. Die Herren am Schirm kamen von der Fallschirmaufklärerkompanie 17.

PC-6 Porter:

Pilatus PC-6 Porter

Und dann kam die Attraktion, weshalb mit Sicherheit der Großteil der Zuschauer gekommen war. Die Fliegerstaffel 10 schickte einmal zwei und später noch mal vier Mirage III RS zum Photoüberflug und Kanonenschießen (das RS steht für Reconnaissance Suisse). Am Knüppel der Photomaschinen waren Milizpiloten, wovon normalerweise einer Zivilpilot, der andere Wirtschaftsberater ist. Überhaupt waren der Großteil der Teilnehmer Milizpiloten, die oft erst ein- bis zwei Wochen vorher wieder ihren Dienst angetreten hatten. Im Gegensatz dazu stehen die Berufspiloten, die eine rund vierfach höhere Flugstundenzahl pro Jahr vorweisen können.

Mirage III RS:

Der Wahnsinn:

Erst lautlos, tief aus dem Tal ...

... dann mit infernalischem Lärm ...

... in Wurfreichweite ...

... zum Publikum

Seit 1968 tut die Mirage III RS als Aufklärer Dienst, als Jäger (III S) wurde sie bereits 1999 ausgemustert. Leider wird auch die RS Ende 2003 aufs Altenteil geschoben. Ob danach auch noch so viele Begeisterte auf die Axalp kommen? Die Lücke wäre eigentlich nur durch ein ähnliches Display der F/A-18 zu schließen, aber die Patrouille Suisse hat den Wechsel vom beliebten Hunter auf den Tiger schließlich auch gut verkraftet.

Man muß es erlebt haben

Die F/A-18 C Hornet ist mit 17 Metern etwas länger als die Mirage und mit 12 Metern Spannweite vier Meter breiter als der Tiger. Mit sieben Tonnen Waffenzuladung trägt sie sechsmal so viel wie der alte Hunter, ihre 16 Tonnen Schub sind dreieinhalb mal so stark wie der des Tiger. Die Auslieferung der Hornet erstreckte sich von Oktober ´96 bis Ende ´99, der Öffentlichkeit vorgestellt wurde sie auf der Airshow in Sion 1997, wovon die VPH-Bochum übrigens auch ein sehr schönes Video anbietet.
Die Hornet zeigte zunächst eine Demonstration der Flugleistungen, später wurde auch geschossen. Der Bordwaffeneinsatz bei einer öffentlichen Vorführung wurde für die F/A-18 erst seit dem Jahr 2000 genehmigt. Der damalige Kommandant der Luftwaffe Fernand Carell hatte ein Schießverbot über die Hornet verhängt, nachdem die US Navy im Sommer ´98 eine Maschine dieses Typs beim Einsatz ihrer Bordkanone im Mittelmeer verloren hatte.

F/A-18 C Hornet:

F/A-18 C Hornet

* * *

* * *

Direkt im Anschluß kamen zwei Hornet und zwei Tiger, um bei einer Abfangübung den Kampf um die Lufthoheit zu demonstrieren. Die F/A-18 fingen die F-5 ab, was im Fliegerlatein "Intercept to identification and escort" hieß; allerdings scherten die Bösewichter mit den F-5 aus der Formation aus und wollten türmen. Im Anschluß folgte ein kleiner Luftkampf, bei dem auch Flares zum Ablenken von Infrarotlenkwaffen eingesetzt werden. Selbstverständlich siegten "die Guten". Abschließend zeigten schließlich auch die F/A-18 eine Demonstration ihrer Zielsicherheit. Auffallend war dabei das Geräusch der Gatlingkanonen, die sich wegen der hohen Schussfolge mit einem fast singenden Geräusch deutlich von den anderen Geschützen unterschieden.

Abfangende Hornets

Eskorte der Eindringlinge

Fluchtversuch mit Flares

Anflug zur Schießübung

Treffer - versenkt!

Leider nur einen Vorbeiflug zeigten zwei Hunter vom Fliegermuseum Altenrhein.

Hawker Hunter:

Nach einer weiteren Vorführung der acht Tiger aus Meiringen und dem endgültig letzten Display der Patrouille Suisse war das Fliegerschießen 2002 auf der Axalp beendet. Die Zuschauer machen sich wieder auf die Strümpfe durch den ewigen Matsch ins Tal, die VIP's nahmen standesgemäß den Superpuma.

Nochmals die Patrouille Suisse

Formation Shadow

Abschied für 2002

Und der faszinierende Rückmarsch

In Interlaken haben die Organisatoren den Ehrengästen noch einen gemütlichen Ausklang in der Abendsonne geboten. Die Soldaten trafen sich nach drei harten Tagen zur Abschlussbesprechung, und auch ich habe mich wieder auf den Heimweg gemacht.

Die Show in Axalp muß man nicht jedes Jahr besuchen, aber sie fällt unter die Rubrik: wenigstens einmal im Leben… (und wenn man dann noch so ein unverschämtes Glück mit dem Wetter hat…).


Vielen Dank für Ihr Interesse und bis zum nächsten Mal,


Ihr und euer
Kai Haarmann


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